Auf dieser Seite stelle ich Ihnen ein Klavier der Marke Schulzendorff vor. Es wurde zwischen 1922 und 1926 in Berlin gebaut. Seitdem wurde es fleißig gespielt und zuletzt von einem Kollegen aus Bayreuth gestimmt und auch generalüberholt, der inzwischen in der wohl verdienten Rente ist. Dabei wurden Risse im Resonanzboden repariert, der Stimmstock erhielt dickere Stimmnägel, die Filze der Hammerköpfe wurden abgezogen und die Mechanik überarbeitet. Alles ist gut gelungen. Die Klavierbesitzer waren mit der Pflege und dem Instrument zufrieden. Wie schon erwähnt, ging der Kollege zur Bestürzung der Klavierspieler in Ruhestand. Also begab man sich auf die Suche nach einem würdigen Nachfolger.
Man fand einen neuen Klavierstimmer, der ebenfalls aus Bayreuth kam. Aber dieser Kontakt entwickelte sich niederschmetternd für die stolzen Besitzer des Schulzendorff-Pianos. Denn das Urteil dieses Klavierbauers war vernichtend. Man könne das Klavier eigentlich gleich entsorgen. Es sei schlecht und unvollständig repariert worden und es würde sich kaum noch stimmen lassen... O Weh! Sollte man das Klavier also gleich auf den Müll bringen? Sich stattdessen wie empfohlen umgehend bei dem nicht sehr freundlich wirkenden Ratgeber ein neues Instrument kaufen? Die Klavierbesitzer zögerten. Sie waren wütend, verwirrt und enttäuscht. Was war nun die richtige Entscheidung?
Unsere Geschichte spielt im schönen Weißenstadt im Landkreis Wunsiedel. Ein Musik begeisterter junger Mann probierte auch mal einen neuen Klavierstimmer. Er suchte im Internet und fand die Klavierstimmerei Praeludio. Seine Erfahrungen waren positiv. Daher kümmerte er sich bei der Frage, wer das Klavier des Chors stimmen sollte, das er selbst spielte, natürlich gerne darum, einen Termin für die Klavierstimmung zu organisieren. Um für seine Gemeinde den Vorteil des Mengenrabatts nutzen zu können, fragte er ihm bekannte Klavierspieler. Darunter war auch der Besitzer unseres Klaviers von Schulzendorff, der aufgrund der persönlichen Empfehlung zustimmte.
Schulzendorff-Klavier verstimmtNach dem Probespielen erkundigte ich mich nach der Wunschtonhöhe und erhielt eine sensible Antwort. Die Klavierbesitzer offenbarten mir die Geschichte ihres Klaviers und die Verunsicherung hinsichtlich der Frage, ob das Klavier denn überhaupt noch zu stimmen sei. Sie fragten mich nach meiner Meinung. Meine Antwort lautete, dass ich aufgrund der relativ geringen Verstimmung zu 99,9 Prozent davon ausgehe, dass das Klavier noch zu stimmen ist. Eine Messung der Tonhöhe ergab, dass es ungefähr auf 440 Hertz stand. Es hatte also seit der letzten Stimmung die Tonhöhe gehalten. Wo sollte das Problem liegen?
Der Blick auf das Innenleben bestätigte, dass das Klavier von einem Fachmann überholt worden war. Mit anderen Worten: Es war kein Schaden zu sehen und auch kein Schaden zu hören. Wie kam aber mein Vorgänger dann zu seiner angeblich fachkundigen Aussage? Entsprach sie den Tatsachen? Oder war er getrieben von einer anderen Absicht, die ihn seine Aussage bewusst verfälschen lies? Kaum zu glauben, aber leider erfahre ich immer wieder solch traurige Geschichten vom Klavierservice, die ich in dem Blog Serviceverweigerung dokumentiert habe. Man missbraucht den Service, um darüber neue Instrumente verkaufen zu können. Und man bringt keinerlei Leistung. Wenn Sie sich das Hörbeispiel oben noch einmal anhören, dann fällt jedem die massive Störung durch das knarzende Pedal auf. Bei jedem Treten des Pedals tritt dieses Nebengeräusch auf. Ist das dem Fachmann gar nicht aufgefallen? Hat er versucht, es zu beheben? Laut Aussagen der Klavierbesitzer war dies nicht der Fall.
Auf 440 Hertz gestimmtAls erstes wurde dieses lästige Nebengeräusch beim Treten des Pedals von mir beseitigt. Dann behob ich das Klappern eines Mechanikteils in der Mittellage sowie das Quietschen der Klaviermechanik im Diskant, bevor ich damit begann, das Klavier zu stimmen. Die Stimmnägel saßen so fest wie bei einem neuen Klavier. Es lies sich also einwandfrei stimmen und ich gehe davon aus, dass es noch viele Jahre ganz normal die Stimmung halten wird. Die Klavierbesitzer waren sichtlich erleichtert. Aber ich bin mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden. Daher prüfe ich gleich im Anschluss an das Probespielen nach dem Stimmen die Intonation. Beim Stimmen und vor allem beim Spielen sind einige Töne mit scharfem, teils klirrenden Klang aufgefallen. Die Ursache will ich mir näher ansehen. Denn auch Unterschiede in der Klangqualität wirken sich störend auf das Klavierspiel aus. Das Bearbeiten des Klavierklangs nennen die Klavierbauer Intonation. Als Ursache für die hart klingenden Töne ist schnell erkenntlich, dass die Filze der Klavierhämmer getränkt worden sind. Das sieht man auf dem Bild an der bräunlichen Spitze der Hammerfilze. Der Filz wird dabei mit einer klebrigen Flüssigkeit getränkt. Wenn diese trocknet, werden die Hammerfilze hart. Der vorher möglicherweise etwas zu schwache Ton soll nun lauter werden. Doch zusätzlich klingt der Ton auch grell. Das in der Intensität unausgewogene und im Klang nicht erwünschte Ergebnis kann man durch Stechen und Feilen der Filze wieder korrigieren.
Erste IntonationNach der ersten groben Vorarbeit der ausgleichenden Intonation erfolgt das Nacharbeiten. Beim Spielen sind einzelne Töne aufgefallen. Durch das Bearbeiten der Filze mittels Intonationsnadeln und einer speziellen Hammerfeile wird der Klang verbessert. Das Ergebnis jeden Handgriffs wird überprüft. Das Gesamtergebnis zeigt sich am besten beim Klavier spielen.
Zweite IntonationUnser Piano ist etwas widerspenstig. Das ist bei einem älteren Instrument normal. Schließlich wurden die Filze schon viele Male gegen die Saiten geschlagen und dabei unterschiedlich stark zusammengepresst. Das Abziehen der Hämmer muss auch nicht immer glücklich verlaufen. Es ist eine anstrengende und aufwendige Handarbeit, die man früher angewandt hat, um das vorhandene Material langfristig zu erhalten. Das erste Ergebnis des Abziehens der obersten Schicht der Hammerfilze zielt auf den optisch sauberen Eindruck ab. Noch wichtiger ist aber das akustische Ergebnis. Doch das bleibt aufgrund der vorhergehenden Anstrengung oftmals auf der Strecke. Um dieses Ergebnis der Klangoptimierung als Basis der entspannenden Wirkung eines störungsfreien Klavierspiels bemühe ich mich gerade.
Schulzendorff Intonation g1Der Ton g1 störte mich am Schluss noch. Daher die letzten Korrekturen. Nun bin ich zufrieden. Wenn ich mir das letzte Probespiel anhöre, ist der Klang ausgeglichen. Nur meine Performance des Stücks lässt mittlerweile zu wünschen übrig. Das ist insofern erklärbar, als man bei Wiederholungen eben dazu neigt, einer Maschine vergleichbar etwas abzuspulen. Aber letztendlich zählt ja das Ergebnis. Und das können Sie hier vergleichen mit dem Ausgangszustand, indem Sie die Audiodateien vor der Stimmung und am Ende meiner Bemühungen um einen guten Klavierklang im Wechsel anhören. Sie werden das Streben um einen möglichst großen Unterschied zwischen Anfangs- und Endzustand als Ausdruck eines guten Klavierservice feststellen. Das ist es, was man aus einem Klavier herausholen kann, wenn man sich darum bemüht.